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Entstehungs- und Erhaltungsgeschichte

Eine weitere Bereicherung erfuhr die Saalausstattung des Barock im Rechnungsjahr 1715/16 durch die ringsumlaufenden Lambris von Christian Thalwitzer.[1] 51 längsrechteckige Felder wurden mit Gemälden nach zeitgenössischen Schloss- und Gartenveduten versehen. In den Fensterlaibungen nahmen 27 hochrechteckige Felder Abbildungen von Orangenbäumen und anderen exotischen Kübelpflanzen auf. Die Ansicht des Carlsbergs bei Weikersheim, die erst 1747 im Zusammenhang mit der damals aufgestellten Kunstuhr hinzukam, dürfte eine ältere Vedute ersetzt haben, die sich am Fensterpfeiler hinter der Uhr noch befinden könnte.

Beschreibung und Ikonographie

Die Veduten, deren Vorlagen durchgehend zu benennen sind, wurden am oberen Rahmen mit einem Spruchband beschriftet. Sie lassen sich also leicht zuordnen.[2] Indem die erläuternden Beischriften direkt von den graphischen Vorlagen übernommen wurden, führten sie die Tradition der Deckengemälde Balthasar Katzenbergers aus der Renaissance weiter. Der Schwerpunkt der Veduten lag auf Frankreich, von wo 30 Ansichten vornehmlich nach Pérelle übernommen wurden. Außer Gebäuden und Gärten in Paris und Versailles waren die Landschlösser Richelieu, Liancourt, St. Cloud, St.-Germain-en-Laye, Chantilly, Clagny und Vaux-le-Vicomte vertreten sowie von Paris die Stadttore Porte St. Antoine, Porte St. Denis und Arc de triomphe. Die Ansicht des Marktplatzes von Naxos gehörte insofern zu den französischen Veduten, als sie das in Paris von Aveline gestochene Bühnenbild Giacomo Torellis einer in Venedig aufgeführten Oper wiedergab.[3]

Lediglich sechs Veduten bezogen sich auf reichsfürstliche Anlagen. Salzdahlum des Herzogs Anton Ulrich von Braunschweig-Wolfenbüttel war mit Hof- und Gartenseite zu sehen. Schloss Philippsruhe bei Hanau-Kesselstadt am Main wurde nach der 1705 erschienenen Ansicht abgebildet.[4]Drei Vogelschauen von Schloss Ludwigsburg Herzog Eberhard Ludwigs von Württemberg entstammen dem 1711 erschienenen Stichwerk von Johann Friedrich Nette.[5] Hinzu kamen eine Ansicht von Weikersheim mit Lustgarten und des nahegelegenen Lustgartens in Schäftersheim. Beide Anlagen lagen nicht als Stiche vor, wurden aber dennoch in dieser Art abgebildet. Holländische Stiche wurden in den Zyklus nicht einbezogen.

Thalwitzer steigerte die Lesbarkeit der Veduten, indem er sie in Farbe malte und in ihrem Formenreichtum vereinfachte. Außerdem reduzierte er das bei Pérelle und seinen Nachfolgern stets große Aufgebot an Staffagefiguren. Größeren Wert als Pérelle legte er hingegen auf Stadtsilhouetten oder auch Berge im Hintergrund. Vereinheitlichend wirkte sein gleichmäßiges Himmelsblau mit waagrecht bildparallel dahinziehenden Wolken. Es fand sich in der gleichen Art, jedoch über tiefliegendem Horizont auf den Veduten der exotischen Kübelgewächse.

Anordnung

Eine gewisse Ordnung lässt sich lediglich an der Westwand erkennen, wo die Veduten zu beiden Seiten des Kamins symmetrisch beginnen. Flankiert wird der Kamin von zwei Gartenansichten von Versailles, an die sich je eine Ansicht von Paris und als erste Vedute der Längsseite die Ansicht eines Landschlosses (Salzdahlum und Liancourt) anschließen. Ansonsten regiert das Prinzip der Vielfalt, indem beispielsweise die Serie der Pariser Stadttore über die gesamten Lambris verteilt ist.

Erhaltungszustand

Wie alle Lambrisgemälde Christian Thalwitzers wurden auch die Schloss- und Gartenveduten des Rittersaals nach 1945 von Prinz Constantin restaurierend übermalt.[6]

[1] Die Datierung verdankt die Autorin einer Mitteilung von Dinah Rottschäfer.

[2] Die Sujets aufgeführt bei Merten, Weikersheim, o. J., S. 45–46. Eine der als „ungeklärt“ bezeichneten Veduten stellt Schloss Richelieu dar.

[3] Die Legende des Stichs von Aveline nach Torelli lautet: „ La Grande place de la Ville de Naxos, qui est une decoration du second Acte de l’Opera de VENUS IALOUSE [= Venere Gelosa] representé à Venise. Inventé par Jacques Torellj de Fano en Italie et Gravé par Aveline a Paris ».

[4] https://www.lagis-hessen.de/de/subjects/idrec/sn/oa/id/1708 „Ansicht von Schloss Philippsruhe, 1705“, in: Historische Ortsansichten <https://www.lagis-hessen.de/de/subjects/idrec/sn/oa/id/1708> (Stand: 23.1.2017)

[5] http://digital.wlb-stuttgart.de/sammlungen/sammlungsliste/werksansicht/?no_cache=1&tx_dlf%5Bid%5D=2885&tx_dlf%5Bpage%5D=1

[6] Wiese, Fürstensitz, 2019, S. 424.