Description:Q189

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Zuweisung der Gemälde in die einstige Tafelstube

Die einstige Deckenzier der Tafelstube ist den Inventaren, die ja lediglich die mobilen Einrichtungsgegenstände aufführen, nicht zu entnehmen. Einer Haustradition von Schloss Weikersheim zufolge waren an der Decke ursprünglich jene 12 großformatigen Belagerungsszenen angebracht, die sich heute in musealer Aufstellung teilweise im Flur vor dem einstigen Appartement Graf Wolfgangs im Küchenbau befinden.[1] Bei der Unterteilung des Raumes 1837 wurden sie abgenommen und tauchten im Schloss 1946 wieder auf.[2] Ihre Anzahl, ihre Aufteilung in vier schmale und acht breite Bilder sowie wie die exakten Maße[3] passen sehr gut zu den Gefachen der Balkendecke. Es besteht also kein Anlass, an dieser Haustradition zu zweifeln.

Urheberschaft und Datierung der Gemälde

Nahezu alle Gemälde sind stilistisch Balthasar Katzenberger zuzuschreiben. Ein Vertrag wie zu den Deckengemälden des Rittersaals hat sich nicht erhalten, sodass sie nicht genau datiert sind. Sie entstanden jedoch vermutlich sofort im Anschluss an die im November 1602 quittierten Deckengemälde des Saals, also von 1603 bis 1604. Bei der spätesten dargestellten Belagerung von 1604 handelt es sich um einen Nachzügler. Ihr Duktus ist nicht der von Katzenberger, was sich insbesondere an den Wolkenformationen zeigt, die entgegen Katzenbergers Gepflogenheit weiß konturiert sind. Möglicherweise ersetzte das Gemälde ein anderes Bild und wurde zu einem Zeitpunkt gewünscht, als Katzenberger nicht zur Verfügung stand. Der Anlass für die nachträgliche Bestellung war der Tod von Graf Ludwig Kasimir bei der dargestellten Belagerung von Gran im Jahr 1604, an die das Gemälde erinnert.

Komposition und Darstellungsmodus der Gemälde

Die hochrechteckigen Belagerungsszenen folgen im Aufbau prinzipiell den achteckigen Jagdgemälden im Saal. Im Vordergrund hat Katzenberger ein Getümmel inszeniert, das sich am unteren Bildrand abspielt und dessen Protagonisten von beiden Seiten ins Bild reiten oder treten. Seitlich wird das Geschehen von hohen Repoussoir-Bäume gerahmt, die sich am oberen Bildrand durch die Beschriftung der Gemälde mit dunklen Buchstaben vor blauem Himmel zu einer ovalen Rahmung zusammenschließen. Im Mittel- und Hintergrund schilderte Katzenberger in weitläufiger Landschaft die Belagerung einer Festung. Rings um die Festung stehen die Zelte der Belagerer, entzünden sich Scharmützel und hin und wieder auch kleinere Schlachten.

Thema, Vorlagen, Auswahl und Konzeption des Zyklus

Die Gemälde zeigen Belagerungen ungarischer Festungen, die sich während des Langen Türkenkriegs ergaben. Der Lange Türkenkrieg begann 1593 zwischen dem Osmanischen Reich und den Habsburgern nachdem es schon vorher auf beiden Seiten zu Grenzverletzungen gekommen war.[4] Es handelte sich um einen Festungskrieg, bei dem die im Anschluss an die osmanische Belagerung Wiens im Jahr 1529 auf beiden Seiten ausgebauten Festungen wechselseitig belagert wurden. Beendet wurde der Krieg erst 1606 mit dem Frieden von Zsitvatorok. Die in Weikersheim dargestellten Belagerungen beginnen angeblich schon 1590, spätestens jedoch 1594 und reichen bis in das Jahr 1604.

Der Lange Türkenkrieg mit seinen vielen Belagerungen bestimmte bereits das das Programm des inneren Ostportals des Rittersaals. Dieses Portal führte nach Ansicht der Autorin nicht von der Tafelstube in den Saal, sondern vom Saal in die Tafelstube. Es bereitete den Besucher des Saals thematisch auf das Bildprogramm der Tafelstube vor, zumal das Portal und die Deckengemälde der Tafelstube zur gleichen Zeit entstanden. Der Stuckateur Gerhard Schmidt schuf sein 1603 signiertes und datiertes Portal im Saal, während Katzenberger seine Gemälde in der Werkstatt malte.

Als Vorlagen für die Belagerungsszenen im Hintergrund dienten Kupferstiche, die einer ausführlichen, 1602 in Nürnberg erschienenen Chronik über den Türkenkrieg beigebunden waren.[5] Verfasser des Werkes „Chronologia oder Historische Beschreibung aller Kriegsemporungen und Belägerungen der Stätt und Vestungen, auch Scharmützeln und Schlachten, so in Ober- und Under-Ungarn, auch Sibenbürgen, mit dem Türcken von A. 1395 biß auff gegenwertige Zeit gedenckhwürdig geschehen …“[6] war Hieronymus Oertl (Ortelius), der in Wien als kaiserlicher Notar wegen seiner protestantischen Gesinnung 1580 in Ungnade gefallen war und sich danach in Nürnberg niederließ.[7] Die Anregung zu dem Werk ging von seinem Schwager, dem Nürnberger Kupferstecher und Verleger Johann Sibmacher aus. Sibmacher zeichnete die Belagerungsszenen nach Ortelius Vorgaben und stach sie in Kupfer.[8]

Die insgesamt 28 Kupfer wurden in der deutschsprachigen Legende in ihrem Sujet genau benannt und mit dem Jahr der Belagerung versehen. Katzenberger übernahm diese Beischriften buchstabengetreu für seine Deckengemälde. Aufgrund der sehr genauen Übernahmen in Wort und Bild kann man davon ausgehen, dass Ortelius‘ Chronik Graf Wolfgang im Jahr ihres Erscheinens 1602 vorlag. Ausgewählt aus den 28 Kupfern wurden Belagerungsaktionen sowohl der Kaiserlichen als auch der Osmanen. Harald Drös, der sich bislang am ausführlichsten mit den Weikersheimer Belagerungsszenen auseinandergesetzt hat und dem wertvolle Hinweise zu verdanken sind,[9] vermutete deshalb sicher zurecht, dass die Auswahl der Szenen davon bestimmt war, dass Mitglieder des Hauses Hohenlohe beteiligt waren. Die folgende Beschreibung der Bilder bestätigt diese Vermutung. Die späteste dargestellte Belagerung von Gran (Eszergom), bei der der Sohn Ludwig Kasimir zu Tode kam,[10] bezieht sich als ein Art Memorialbild auf dessen Tod. Auch dieses tragische Ereignis wurde dem Besucher schon angekündigt, indem im Durchgang zwischen Saal und Tafelstube die Beweinung des toten Adonis durch Venus und Amor dargestellt wurde.

Drei der in Weikersheim dargestellten Belagerungen lagen später als das Erscheinungsjahr der Chronik. Sie wurden hinzuerfunden und weisen deutliche Schwächen in der Schilderung des Hintergrunds auf. Die drei jeweils an der Donau stattgefundenen Aktionen wurden aus Landkarten und Belagerungen Sibmachers versatzstückhaft kompiliert. Da die Gemälde keinerlei Anhaltspunkte zu ihrer ursprünglichen Anordnung preisgeben, folgt ihre nachfolgende Nummerierung der Chronologie der dargestellten Belagerungen. Sie findet sich in der gleichen Reihenfolge zusammen mit den genauen Maßen bei Harald Drös im Band der Inschriften des ehemaligen Landkreises Mergentheim.[11]

Rekonstruktion der einstigen Anordnung

Bei der Rekonstruktion der Decke, die Jan Lutteroth miterarbeitet und graphisch umgesetzt hat, wurde die Reihenfolge der durch keinerlei Bild- oder Schriftquellen überlieferten Anbringung ebenfalls gemäß der Chronologie gewählt. Die Geschichte beginnt in angenommener Leserichtung von links nach rechts für den Eintretenden links oben mit dem geheimnisvollen Nachtbild der Belagerung von Totis im Jahr 1590 (Belagerung I). Bei der Rekonstruktion der in vier Register übereinanderliegenden Szenen musste lediglich im dritten Register einmal die Chronologie verlassen werden, da die Belagerung der Stadt Waitzen im Jahr 1597 (Belagerung VII) als schmales Bildformat nicht links außen, sondern erst in der Mitte platziert werden konnte. Sie wird nun von den Belagerungen von Raab 1598, wiederum einem effektvollen Nachtbild (Belagerung VIII), und der Belagerung von Ofen ebenfalls im Jahr 1598 (Belagerung IX) flankiert.

Die drei Belagerungen, an denen Söhne teilgenommen hatten (Belagerung X, XI, XII) stehen bei der gewählten Anordnung am Ende der Tafelstube. Die drei darunterliegenden Fenster eröffnen den Blick auf die Stadt südlich des Marktplatzes. Das besonders wichtige Gemälde mit dem bei der Belagerung von Gran (Eszergom) 1604 getöteten Ludwig Kasimir (Belagerung XII) kommt als letztes der Reihe rechts oben so zu stehen, dass Ludwig Kasimir mit seinem Pferd Richtung Kirche reitet, wo er beigesetzt wurde. Der trauernden Gräfin würde auf dem Gemälde ebenfalls der Weg zur Kirche gewiesen.

[1] Merten, Weikersheim, o. J., S. 40. Trentin-Meyer, Georg Friedrich von Hohenlohe, 2019, S. 90 spricht versehentlich von 13 Gemälden.

[2] Freeden, Kamin, 1950, S. 142.

[3] Die Maße bei Drös, Inschriften Mergentheim, 2002, S. 248. Ebd., S. 249 die bislang ausführlichste Auseinandersetzung mit den Gemälden.

[4] Zum Langen Türkenkrieg: Niederkorn, Langer Türkenkrieg, 1993.

[5] Diese wichtige Vorlage bereits bei Fandrey, Weikersheim, 2010, S. 60.

[6] Ortelius, Chronologia, 1602.

[7] Mummenhoff, Ernst, "Oertl, Hieronymus" in: Allgemeine Deutsche Biographie 24 (1887), S. 445-446 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd128534958.html#adbcontent.

[8] Ebd. Außerdem Ortelius, Chronologia, 1602, „Ad Lectorem“.

[9] Drös, Inschriften Mergentheim, 2002, S. 248–249.

[10] Drös, Inschriften Mergentheim, 2002, S. 248–250.

[11] Drös, Inschriften Mergentheim, 2002, Nr. 366.