Description:Q202
Bau-, Ausstattungs- und Funktionsgeschichte:
Graf Wolfgang ging unmittelbar nachdem ihm Weikersheim durch Erbteilung als Residenz zugefallen war, 1586 an die zeitgemäße Erneuerung der noch mittelalterlichen Wasserburg. Er wandte sich hierfür an den sehr gefragten kurmainzischen Baumeister niederländischer Herkunft Georg Robin (gest. 1592). Robin hatte schon 1575 im Auftrag des Grafen Wolfgang Pläne und ein Modell für das Hohenloheschloss in Langenburg geliefert. Obwohl es sich 1586 noch schwieriger gestaltete, den vielbeschäftigten Meister Robin nach Weikersheim zu bekommen, scheint Robin das Vorhandene in diesem Jahr besichtigt zu haben.[1] Vermutlich nach seinen damals gezeichneten Plänen wurde im März 1587 der Stuttgarter Georg Stegle mit einem Modell aus Holz und Gips beauftragt.[2]
Zum Baubeginn kam es in Weikersheim jedoch erst 1595. Die verantwortungsvolle Aufgabe, das Terrain abzustecken und das Erstellen der Fundamente zu überwachen, übernahm der Würzburger Baumeister Wolf Beringer. Von ihm stammen auch die Werkpläne für die Fenster.[3] Ein Hauptanliegen des Grafen war der große Saal mit freitragender Decke, da er ihn in der zugehörigen Korrespondenz mehrmals erwähnte.[4] Für den weit gespannten Dachstuhl, der die freitragende Decke erst ermöglichte, gewann er den Zimmermann Elias Gunzenhäuser, der zuvor in Stuttgart den mehr als 20 Meter überspannenden, als technisches Wunder geltenden Dachstuhl über dem Neuen Lusthaus konstruiert hatte.[5] Der immerhin 12 Meter überspannende Dachstuhl über dem Weikersheimer Saalbau konnte dendrochronologisch auf die Jahre 1594–1598 datiert werden.[6] Mit dem Innenausbau des Saalbaus wurde erst 1601 begonnen, da offenbar der Treppenturm von 1598, die ebenfalls 1598 fertiggestellten Appartements im Küchenbau und die Kapelle von 1600 Vorrang hatten.[7]
Gleichzeitig mit dem Saalbau wurde im Winkel zum Küchenbau der polygonale Treppenturm errichtet. Das Allianzwappen Hohenlohe-Nassau an seiner Decke trägt die Jahreszahl 1598.[8] Der Treppenturm erschloss den großen Saal von innen zusammen mit der Kapelle und den Appartements im Küchenbau. Über den Treppenturm gelangte man auch auf den Altan, der dem Saalbau vor 1605 in einem zweiten Bauschritt an der Hofseite vorgelegt wurde.[9] Vom Altan, der außerdem vom Treppenhaus des Langenburger Baus aus zugänglich war,[10] führt ein weiteres Portal in den Saal etwa in der Mitte seiner Langseite. Dieses ebenfalls nachträglich hinzugekommene weitere Saalportal ist durch eine Inschrift in der Stuckdekoration im Inneren 1605 datiert. Außerdem gelangte man vom Altan in das hofseitige Service-Kabinett der Tafelstube.
Beschreibung
Bei dem Saalbau handelt es sich um einen dreigeschossigen Bau von an der Gartenseite sechzehn, an der Hofseite, wo als Seitenflügel der Küchenbau und der Langenburger Bau sowie im Winkel zum Küchenbau die Wendeltreppe anschließen, nur acht Achsen Breite. In der Tiefe umfasst er drei Achsen, wobei jede Achse des Saalbaus als Doppelfenster ausgebildet ist. Die Doppelfenster mit ihren Sandsteinrahmungen tragen wesentlich zur Gliederung des ansonsten glatt belassenen, aus sichtbarem Bruchsteinmauerwerk errichteten Außenbaus bei.
An der Gartenseite kommen als Gliederungselemente die besonders hohen Saalfenster und ihre vierpassförmigen Oberlichter über acht der sechzehn Achsen hinzu. Der Saal liegt dabei nicht genau in der Mitte, sondern wird im Westen von drei, im Osten von fünf regulären Fensterachsen flankiert. Symmetrisch auf die Mittelachse sind hingegen die drei mächtigen Schmuckgiebel der Gartenseite bezogen, die oberhalb des Traufgesimses beginnen. Der mittlere der dreigeschossig mit ionischen Pilastern und Okulus in der Spitze instrumentierten Giebel erhebt sich etwa über der Mitte. Die beiden seitlichen schließen sich mit entsprechenden Giebeln über den Seitenfronten zu monumentalen Eckakzenten zusammen. Ornamentiert sind die im Unterschied zum darunterliegenden Mauerwerk glatt verputzten Giebel mit Roll- und Beschlagwerk. Es lässt an einigen Stellen Ansätze zum Schweifwerk erkennen, welches um 1600 einsetzt.
Der an der Hofseite dem Saalbau in einem zweiten Bauabschnitt vorgelegte Altan besteht aus niedrigen Rundbogenarkaden mit kräftiger Quaderung, die in römischer Manier aus der Mauer gleichsam herausgeschnitten wurden. Den Mauerabschnitten sind dorische Pilaster vorgelegt, um die sich eine weitere, der Mauerquaderung aufgelegte Quaderung verkröpft. Sie tragen ein in seinem Umfang auf eine einzige Steinlage reduziertes Gebälk. Darüber erhebt sich eine Steinbalustrade, deren Zwischenstützen die Achsen der Pilaster und der Bogenscheitel weiterführen. Die mittlere, besonders breite Achse tritt als Risalit aus der Flucht heraus. Sie bildet das Fundament für das gleichzeitig hinzugekommene Portal in den Rittersaal im ersten Obergeschoss. Im Erdgeschoss nimmt diese Achse den Durchgang zum Garten auf, der jedoch erst im 18. Jahrhundert entstand.
In seinem Inneren birgt der Saalbau im Erdgeschoss unter anderem eine große gewölbte Hofstube, die im 18. Jahrhundert durch den Durchgang vom Hof in den Garten unterbrochen wurde. Sie war über einen Flur mit der Küche im Küchenbau verbunden. Im ersten Obergeschoss flankiert den Rittersaal an der Westseite die Kapelle, an der Ostseite die Tafelstube. Über Kapelle und Tafelstube befinden sich im zweiten Obergeschoss jeweils Appartements. Der Rittersaal reicht über zwei Geschosse, sodass zwischen diesen beiden Appartements sein Luftraum liegt.
[1] Die Quellen hierzu und insgesamt zum Oeuvre von Georg Robin bei Freeden, Georg Robin, 1943/44. Speziell zu Weikersheim im Jahr 1586: ebd., S. 38. Die aktuellen Signaturen der von Freeden herangezogenen Archivalien bei Weyer, Georg Stegle, 2017.
[2] Freeden, Georg Robin, 1943/44, S. 38. Hingegen bewertet Weyer, Georg Stegle, 2017, S. 50 den Anteil Stegles deutlich höher als Freeden. Zudem schreibt er Stegle Walther-Gerd Flecks zwischenzeitlich kritisch bewertete Rekonstruktion einer regelmäßigen Dreiflügelanlage in Weikersheim zu. Zur Kritik an Flecks Idealrekonstruktion (Fleck, Weikersheim, 1954): Großmann, Beobachtungen, 2019 und Ziegler, Idealplan, 2019. Zur weiteren Erforschung der Planungs- und Baugeschichte des Weikersheimer Renaissanceschlosses außerdem: https://www.hofkulturblog.de/das-dreiecksschloss-des-grafen-wolfgang-in-weikersheim-revision-einer-alten-kunsthistorischen-hypothese-mit-hilfe-digitaler-methoden/ sowie ausführlich mit zahlreichen Visualisierungen der Beitrag von Jan Lutteroth und Frieder Leipold: <a href="https://books.ub.uni-heidelberg.de/arthistoricum/reader/download/774/774-17-91786-1-10-20201211.pdf">https://books.ub.uni-heidelberg.de/arthistoricum/reader/download/774/774-17-91786-1-10-20201211.pdf</a>
[3] Freeden, Georg Robin, 1943/44, S. 39. Ausführlich zur Baugeschichte und ihren Quellen jetzt: Ziegler, Idealplan, 2019.
[4] Freeden, Georg Robin, 1943/44, S. 38. Ziegler, Idealplan, 2019, S. 144.
[5] Maße des Saals im Stuttgarter Neuen Lusthaus: 57,58 m Länge x 20,34 m Breite x 15,61 m Höhe (Ziegler, Lusthaus, 2016, S. 396).
[6] Ziegler, Idealplan, 2019, S. 140.
[7] Merten, Weikersheim, o. J., S. 48 und 52.
[8] Drös, Inschriften Mergentheim, 2002, S. 217.
[9] Fleck, Weikersheim, 1954, S. 10 datierte den nachträglich angefügten Altan 1602. Ihm folgt Weyer, Georg Stegle, 2017, S. 56. Die nachträgliche Anfügung auch bei Großmann, Beobachtungen 2019, S. 128, doch ohne Datierung. Der Altan wird er in einer Güterbeschreibung von 1670 erwähnt (HZAN We 100 Bd. 17: „Ein Grosser Schöner Saal. Ein Gallerj darvor“, Kenntnis und Transkription dieser Quelle verdankt die Autorin Frieder Leipold). In Anbetracht der stilistischen Unterschiede zu den Schmuckgiebeln des Saalbaus könnte mit einer Erneuerung des Altans um 1580 zu rechnen sein (Ziegler, Idealplan, 2019, S. 154–155).
[10] Der Raum des Treppenhauses gehört zumindest in seinem äußeren Mauerwerk der Renaissancezeit an, wenngleich der Langenburger Bau in seinen aufgehenden Geschossen erst um 1680 hinzukam (Ziegler, Idealplan, 2019, S. 140–142).