Description:Q221

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Beschreibung und graphische Vorlage

Das Gemälde mit der Entführung des Kephalos durch Aurora folgt im Aufbau sehr getreu einem Deckenfresko von Agostino Carracci in der Galleria Farnese in Rom aus dem Jahr 1597.[1] Übermittelt wurde die auch sonst verbreitete Komposition über graphische Vorlagen. Die gesamte Dekoration der Galleria Farnese wurde erstmals 1657 von Carlo Cesio in Kupfer gestochen.[2] Folgenreicher für den deutschen Markt war jedoch die Stichfolge von Pietro Aquila von 1677,[3] da sie in Augsburg von Johann Ulrich Kraus als Nachstich herausgegeben wurde.[4] In Weikersheim diente vermutlich der Augsburger Nachstich als Vorlage, da dort erstens der Morgenstern Phosporos einen ähnlichen Gesichtsausdruck hat wie auf dem Weikersheimer Gemälde und zweitens die Augsburger Produktion in Weikersheim leichter erreichbar war als die römische. Da der Nachstich von Johann Ulrich Kraus nicht datiert ist, liefert seine Verwendung in Weikersheim 1709 ein Datum ante quem.

Die von rechts herbeieilende Aurora hat den schönen Jüngling Kephalos ergriffen und in der linken Bildhälfte in ihren Wagen gezwungen. Kephalos, der mit einem ausgestreckten rechten und angewinkeltem linken Bein zum Sitzen gekommen ist, versucht sich von Auroras Griff zu befreien, während sein linker Arm suchend in die Luft greift. Aurora, die in Weikersheim einen roten Umhang über einem dunkelblauen Gewand trägt, umklammert ihr Opfer jedoch mit beiden Armen. Kephalos trägt einen hellroten Mantel, der seinen Körper jedoch kaum bedeckt. Sein Geschlecht, das auf den Stichen von Cesio, Aquila und Kraus frei liegt, wurde in Weikersheim mit Rosen bedeckt, die zugleich Attribute der Aurora sind. Unterhalb des Wagens sitzt der unsterbliche Jagdhund Leilaps, den Kephalos von seiner Frau Prokris geschenkt bekommen hat, die ihn wiederum von Diana zum Geschenk bekam. Er schaut zu seinem Herrn hinauf, kommt ihm aber nicht zur Hilfe.

In der rechten Bildhälfte sieht man die mit wehenden Mähnen fortsprengenden und damit der Wagen fortziehenden Pferde. Unter ihnen schläft als alter Mann die Nacht. Er trägt ein dunkles Tuch und wird von Auroras Pferden förmlich überrannt. Zwischen dem Wagen und den Pferden fliegt der Morgenstern Phosporos in Gestalt eines Putto. Traditionellerweise wird er mit Fackel dargestellt, doch streut er in Weikersheim Rosen, die er im Einklang mit der graphischen Vorlage einem Blumenkorb entnimmt. Er fliegt nach vorne in Richtung der Pferde, wendet den Kopf jedoch zurück zum Kampf zwischen Aurora und Kephalos.

Zuweisung an den Maler Johann Valentin Weiß

Im Weikersheimer Gemälde steht das Inkarnat der Körper vor einem dunklen, möglicherweise zudem nachgedunkelten Grund. Verglichen mit den Stichen von Cesio, Aquila und Kraus, hat der Weikersheimer Maler vor allem Blumen und andere Motive der Stilleben-, Tier- und Landschaftsmalerei hinzugefügt. Die Rosen in der Hand des Phosphoros steigerte er zum Tulpenstrauß. Im Blumenkorb liegen Lilien. Hinter Auroras Wagen erhebt sich im Dunkel der Nacht ein Rosenhag. Im Vordergrund sitzt vor einer dunklen Erdscholle ein Kaninchen. Rechts hat der Maler einige Bäume hinzuerfunden, durch die die Helligkeit des Tages dringt. An einem der Bäume hängen Köcher und Bogen des Jägers Kephalos zusammen mit einem erlegten Tier. Auffallend ist die Darstellung Auroras nicht nur mit einem Blumenkranz im Haar, sondern mit einem hell glänzenden Perlenohrring, wie man ihn von der gleichzeitigen Porträtmalerei kennt.

Das Weikersheimer Gemälde stammt von dem ansonsten nicht weiter bekannten Johann Valentin Weiß aus Kitzingen, der seit 1709 in Weikersheim die malerische Ausstattung besorgte. Bei einigen Aufträgen arbeitete er zusammen mit dem ebenfalls nicht weiter bekannten Maler Zacharias König aus Dettelbach (bei Kitzingen). Weiß wird in den Quellen unter anderem als Maler von Tieren erwähnt, was sehr gut zum stilllebenartigen Beiwerk der Aurora passt. Für ein schreckliches Wildschwein nach dem Leben erhielt er am 28. Mai 1709 6 Gulden, für eine Trappe und einen Hund, die er in ein vorhandenes Gemälde hineinmalte, 4 Gulden.[5] Auch das noch zu besprechende Deckengemälde mit Aurora im Olymp mit Castor und Pollux, das Weiß 1712 für den Plafond des Audienzzimmers der Schönen Zimmer malte, zeichnet sich durch charakteristische Tierdarstellungen aus.

Datierung

Den Quellen zufolge fertigte Weiß in den Jahren 1709 zwei, im Jahr 1712 ein großes Gemälde an. Die Quelle vom September 1712 bezieht sich zweifelsfrei auf das Deckengemälde im Appartement oberhalb des Tafelzimmers, das heute als die Schönen Zimmer bezeichnet wird. Die Quellen des Jahres 1709 beziehen sich nach Ansicht der Autorin auf zwei Deckengemälde des nördlichen Appartements im zweiten Obergeschosses des Langenburger Baus, die nicht erhalten sind. Dies wird weiter unten im Zusammenhang mit diesem Appartement ausgeführt.

Für das Gemälde mit dem Raub des Kephalos im südlichen Appartement im zweiten Obergeschoss des Langenburger Baus stehen zwei weitere Erwähnungen von Weiß zur Verfügung, die sich jedoch nicht explizit auf ein großes Gemälde beziehen. Am 24. Dezember 1712 wurde Weiß für „allerhand [für die] gnäd. Herrschaft verferttigter Gemählde“[6] mit immerhin 66 Gulden bezahlt. Zuvor hielt er sich im Dezember 1710 kurz in Weikersheim auf, was dafür spricht, dass er auch in diesem Jahr dort gewirkt hatte.[7] In Anbetracht dessen, dass die beiden Appartements im zweiten Obergeschoss des Langenburger Bau in fortlaufender Sequenz von Nord nach Süd ausgestattet worden sein dürften, tendiert die Autorin zur Datierung 1710.

[1] Elke Valentin, „Hofmaler in Weikersheim“, Vortrag gehalten in Weikersheim am 21. Juni 2018 auf der Tagung „ZeitRäume. Schloss Weikersheim im Spiegel seiner Geschichte, 20.–23. Juni 2018.

[2] Ausst. Kat. Grande Decorazione, 2018, Kat.-Nr. 26, S. 142.

[3] Ausst. Kat. Grande Decoratione, 2018, Kat.-Nr. 26, S. 142–144.

[4] Galeriae Farnesianae icones ... = Abbildungen und Bilder in der Farnesinischen Galerie / von Annibal Carracci gemalt und vorgestellt. Von Petro Aquila deliniert und gestochen. Herausg. durch Joh. Ulrich Kraus, Augsburg o. J.

[5] HZAN We 50 D 67 180 Verträge u Abrechnungen mit Künstlern, Fasz. Juli 1708-Juni 1714, Nr. 1. Kenntnis und Transkription dieser Quelle verdankt die Autorin Elke Valentin.

[6] HZAN We 113 Bd. 15 1712/13, Kammerrechnungsbuch, Nr. 180: „Den 24. Xbr. Ihme Weißen abermalen bar allerhand gnäd. Herrschaft verferttigter Gemählde, und gethanen auslaagen, besag Quittungen 66 fl. 43 xr.“ Kenntnis und Transkription dieser Quelle verdankt die Autorin Elke Valentin.

[7] HZAN 1. Juni 2018, We 113 B 13, 1710/11, Kammerrechnungsbuch, Nr. 234: Der Mahler Weiß von Küßingen hatte bey deßen hierseyn bey der Sonnen an Zehrung .... inhalt scheins vom 5. Xbr. 1 fl. 30 kr.